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13. Oktober 2017

Ungewöhnliche Maßnahmen: Ameisenköniginnen begraben Tote, um Krankheiten vorzubeugen

Bestattungsverhalten reduziert Ansteckungsgefahr – Studie erschien in BMC Evolutionary Biology

Üblicherweise begraben Arbeiterameisen tote Koloniemitglieder. Doch während der gemeinsamen Gründung einer neuen Kolonie können auch Ameisenköniginnen andere Königinnen begraben, um Infektionen zu vermeiden. Das zeigt eine neue Studie von Christopher Pull und Sylvia Cremer, Professorin am Institute of Science and Technology Austria (IST Austria), die in der Open-Access-Zeitschrift BMC Evolutionary Biology erscheint.

Manchmal gründen zwei Ameisenköniginnen gemeinsam eine neue Kolonie. Wenn eine der Königinnen stirbt, bevor die ersten Arbeiterameisen eintreffen, legt die überlebende Ameisenkönigin ein „Bestattungsverhalten“ an den Tag, indem sie etwa die Leiche beißt oder vergräbt. Das zeigen die ForscherInnen in der aktuellen Studie. Möglicherweise verhindert die Königin so die Übertragung von Krankheitserregern. Die AutorInnen fanden heraus, dass Beißen und Begraben die Wahrscheinlichkeit, dass die überlebende Königin stirbt, um das Siebenfache reduzieren.

Christopher Pull, Erstautor des Artikels, erklärt: „Ameisenköniginnen konzentrieren sich in der Regel auf die Fortpflanzung. Sie üben keine riskanten oder gefährlichen Aufgaben aus. Darum waren wir überrascht, dass Ameisenköniginnen es nicht vermeiden, mit anderen, kranken Königinnen neue Kolonien zu gründen – sie tun es vor allem wegen der Konkurrenz um geeignete Nistplätze – und sie aber Bestattungsverhalten zeigen, das sich auf ihr Überleben auswirken könnte. Wir fanden, dass Königinnen, die dieses Verhalten zeigten, sich mit geringerer Wahrscheinlichkeit bei den toten Mitbegründerinnen ansteckten und starben, als Königinnen, die dieses Verhalten nicht zeigten.“

Er fährt fort: „Die bisherige Forschung darüber, wie Ameisenköniginnen während der Koloniegründung Krankheiten bekämpfen, konzentrierte sich auf die Immunantwort nach dem Auftritt einer Infektion. Wir dagegen wollten erforschen, wie Königinnen durch ihr Verhalten Infektionen von vorne herein vormeiden. Diese Infektionsvorbeugung ist für Ameisenköniginnen wichtig, denn bis zum Eintreffen der ersten Arbeiter zehren sie nur vom Fett- und Muskelabbau. Müssen sie Ressourcen für das Bekämpfen einer Infektion verwenden, könnte das ihren Fortpflanzungserfolg, und damit den Erfolg der gesamten Kolonie beeinflussen.

In ihrer Studie erforschten die AutorInnen das Verhalten von Königinnen der schwarzen Gartenameise. In freier Natur gründen 18% der Königinnen dieser Art gemeinsam eine Kolonie, üblicherweise zu zweit. Teilten sich in den Experimenten zwei Königinnen ein geschlossenes Nest mit nur einer Kammer, und eine Königin starb, bissen 74% der überlebenden Königinnen die Toten, um die Leichen zu zerlegen. 67% begruben danach die Teile. Teilten sich zwei Königinnen ein offenes Nest mit mehr als einer Kammer, entfernten 78% der überlebenden Königinnen den Körper aus der Nestkammer. Die meisten der übrigen 22% bissen und begruben die Leichen.

Beißen und Begraben des Körpers waren mit einer größeren Überlebenschance der verbliebenen Königin verbunden. Die Studie zeigte aber auch, dass das bloße Entfernen einer toten Königin aus dem Nest keine statistisch signifikante Auswirkung auf die Mortalität der verbliebenen Königin hatte. Der Grund dafür könnte einerseits ein Mangel statistischer Aussagekraft sein, denn die Anzahl der Königinnen, die den Körper bloß entfernten, war gering. Andererseits wäre eine mögliche Erklärung, dass die Ameisen nach der Entfernung des Körpers immer noch mit ihm interagierten und sich so ansteckten.

Um zu untersuchen, wie eine Belastung mit Krankheitserregern die Entscheidung einer Ameisenkönigin beeinflusst, mit einer anderen Königin gemeinsam eine Kolonie zu gründen, und wie Ameisenköniginnen das Übertragungsrisiko durch infizierte Mitbegründerinnen begrenzen können, führten die ForscherInnen zwei Experimente durch. Im ersten Experiment konnte die Königin entscheiden, entweder alleine zu nisten, oder gemeinsam mit einer anderen Königin, die einem Pilzerreger ausgesetzt war, oder mit einer Königin, die nur scheinbar einem Erreger ausgesetzt war, eine Kolonie zu gründen (20 Ameisen pro Studiengruppe). Die WissenschaftlerInnen setzten die Königinnen den krankheitserregenden Pilzen aus, indem sie eine Flüssigkeit mit Pilzsporen auf den Thorax aufbrachten. Die nur scheinbar dem Erreger ausgesetzten Königinnen wurden mit einer Flüssigkeit ohne Sporen behandelt. Die AutorInnen stellten fest, dass sich in diesem Experiment 65% der Königinnen dafür entschieden, eine Kolonie gemeinsam mit einer anderen Königin zu gründen, und dass die Belastung durch Krankheitserreger die Entscheidung nicht beeinflusste: Königinnen vermieden es nicht, mit einer infizierten Königin eine Kolonie zu gründen.

Im zweiten Experiment tauschten die Wissenschaftler den Körper einer toten Königin, die einem Krankheitserreger ausgesetzt worden war, gegen den toten Körper einer nur scheinbar ausgesetzten Königin. Sie testeten so, ob die überlebende Königin anders reagiert, wenn ihre Mitgründerin durch einen Krankheitserreger starb, oder aufgrund anderer Ursachen. Die AutorInnen beobachteten keinen Unterschied: überlebende Königinnen zeigten das Bestattungsverhalten in der Gegenwart sowohl von infizierten und nicht-infizierten Körpern.

Christopher Pull erklärt die Implikationen der Studie: „Diese Studie erweitert unser Wissen über die Herausforderungen, der sich eine koloniegründende Ameise gegenübersieht, und darüber, wie diese Herausforderungen die Evolution des Verhaltens von Ameisenköniginnen prägen. Dieses Verhalten scheint viel komplexer zu sein, als bisher gedacht. Das vereinfachte Bild einer Gründungskönigin, die geduldig auf ihre Arbeiterameisen wartet damit sie ihre Rolle als „Eierproduzentin“ übernehmen kann, spiegelt einfach nicht den kompletten Sachverhalt wieder. Wie Königinnen diese Flexibilität in ihrem Verhalten erlangen, ist eine vielversprechende Frage für spannende zukünftige Forschung.“

Christopher Pull, der Erstautor der Studie, war PhD Student in der Gruppe von Sylvia Cremer und promovierte vom PhD Programm des IST Austria. Pull ist jetzt Postdoc an der Royal Holloway, University of London, GB. Sylvia Cremer ist Professorin am IST Austria. Die Evolutionsbiologin interessiert sich für die evolutionäre Immunologie von Ameisengesellschaften. Die Cremer Gruppe erforscht seit 2010 am IST Austria die individuelle und kollektive Krankheitsabwehr von Ameisen.

BMC Evolutionary Biology ist ein Open Access Journal mit Peer Review Verfahren, das Artikel zu allen Aspekten der molekularen und nicht-molekularen Evolution von Organismen, sowie zu Phylogenetik und Paläontologie berücksichtigt. Als Pionier des Open-Access-Publizierens verfügt BMC über ein wachsendes Portfolio von hochqualitativen Peer-Review-Fachzeitschriften, mit breit gefassten Titeln wie BMC Biology und BMC Medicine, spezialisierten Fachzeitschriften wie Malaria Journal und Microbiome sowie die BMC-Serie. Bei BMC ist die Forschung immer im Gange. Wir verpflichten uns zu kontinuierlicher Innovation, um die Bedürfnisse unserer Community besser zu unterstützen, die Integrität der veröffentlichten Forschung sicherzustellen und die Vorteile der offenen Forschung zu fördern. BMC ist ein Teil von Springer Nature was uns mehr Möglichkeiten gibt, die Autoren dabei zu unterstützen, Entdeckungen auf der ganzen Welt in Zusammenhang zu bringen und voranzutreiben.

Originalartikel:

C, Pull. S, Cremer. 2017. Co-founding ant queens prevent disease by performing prophylactic undertaking behavior. BMC Evolutionary Biology. DOI: 10.1186/s12862-017-1062-4



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